Schreibmaschine

Bella erzählt ihre Geschichte.

Endobabe Bella
Meine Endometriose und ich – keine Liebesgeschichte Seit einem Jahr, weiß ich von meiner Endometriose. Genauer gesagt, feiert die Diagnose diesen Freitag ihren 1. Geburtstag. Meine Geschichte fing aber schon viel früher an.

So lange ich denken kann, hatte ich während meiner Periode starke Schmerzen. Zudem war ich an den Tagen vor „den Tagen“, sehr launisch und Harmonie süchtig. Oder, lasst es mich so sagen – meine große Sensibilität, kam in dieser Zeit noch stärker zum Vorschein. Von anderen Mädchen und Frauen hörte ich immer, dass das normal sei und dass wir da alle durch müssten, es hieße schließlich nicht umsonst „der Fluch“. Also nahm ich mein Schicksal an, schluckte Tabletten und lächelte die Schmerzen weg.

 

Mit 15 Jahren ging ich zum ersten Mal zum Frauenarzt. Ein Freund oder der Wunsch sexuell aktiv zu werden, waren zu diesem Zeitpunkt noch in weiter Ferne für mich, doch meine Mutter meinte, dass es nun an der Zeit wäre diesen Schritt zu gehen. „Wir sind eben Frauen, wir müssen da alle hin“. Ich ging zu dem Gynäkologen meiner Mutter. Sie vertraute ihm, also tat ich das auch. An die Untersuchung habe ich keinerlei Erinnerung mehr. Alles woran ich mich noch erinnere ist, dass es kaum eine halbe Stunde dauerte, dann war der Spuk vorbei und ich stand mit einem Rezept für die Anti-Baby-Pille wieder auf der Straße. Diese sollte mich von nun an täglich begleiten und meine Probleme lösen. Und was soll ich sagen!? Die Schmerzen wurden tatsächlich weniger. Zudem konnte ich nun die Uhr nach meiner Periode stellen und sie auch mal einen Monat aussetzen zum Beispiel im Urlaub, das empfand ich als sehr praktisch und nahm die Pille daher ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Erst ein paar Monate vor meinem 30. Geburtstag setzte ich die Pille ab um schwanger zu werden.

 

Der Pillenentzug schickte mich auf dem direkten Weg in die Hölle. Ein Ritt auf der Hormonachterbahn jagte den Nächsten. Die Schmerzen während der Periode wurden mit jedem Monat schlimmer. Und ich wurde mit jedem Monat trauriger, wenn ich sah, dass es mit der Schwangerschaft wieder nicht geklappt hatte. Ich fühlte mich, als sei ich wieder 12 Jahre alt, launisch, überfordert, wusste nicht wohin mit all meinen Gefühlen. Auf der Suche nach Rat, bekam ich jedoch die gleichen Aussagen wie damals zu hören: „Tja, da müssen wir alle durch, entspann dich einfach, das gehört zum Frausein, dazu.“

 

Mit jedem Zyklus wurden meine Beschwerden schlimmer und die Zweifel an mir selbst immer größer. Auch die Trauer über den unerfüllten Kinderwunsch war nun mein ständiger Begleiter. Es traf mich jeden Monat hart, wenn ich sah, dass es mit der Schwangerschaft wieder nicht funktioniert hatte. Viel schlimmer war aber, dass in meinem sozialen Umfeld plötzlich alle schwanger wurden. Einfach so! Scheinbar hatten sie all die „gut gemeinten Ratschläge“ befolgt, hatten sich entspannt, hatten den Urlaub genossen, hatten sich einfach geliebt, oder hatten gar nicht so schnell mit einer Schwangerschaft gerechnet. Gleichzeitig wurden wir immer wieder gefragt: „Wann ist es denn bei euch soweit? Wollt ihr denn nicht auch langsam mal Kinder? Worauf wartet ihr noch?“

 

Ich suchte Rat bei meiner Frauenärztin und erzählte ihr, dass es einfach nicht klappen wollte, mit dem schwanger werden. Ich berichtete ihr von meinen Schmerzen während der Menstruation und fragte sie, wie andere Frauen mit PMS umgingen, oder ob es nur für mich so schwierig sei.

Sie untersuchte mich kurz und schickte mich mit dem Rat: „Lieben und entspannen sie sich, dann wird das schon“, wieder nach Hause.

Nach dem Arztbesuch fühlte ich mich bestätigt. Es lag also wirklich an mir! Weil ich zu empfindlich bin, mich nicht entspannen kann. Schließlich war ich selbst immer mehr davon überzeugt, wenn ich nur hart genug an mir arbeiten würde, dann würde das Wunder der Schwangerschaft, auch mir passieren. Dann würde es endlich klappen. Aber das tat es nicht. Noch einige Male suchte ich Rat bei meiner Gynäkologin, doch sie erzählte mir jedes Mal das Gleiche.

 

Die Schmerzen während meiner Periode waren inzwischen so schlimm, dass ich an manchen Tagen kaum laufen konnte und selbst mit Schmerzmitteln krümmte ich mich noch. Hinzu kamen Durchfall, Schwindel und Fieber. Die Beschwerden fingen inzwischen bis zu 10 Tage vor Einsetzen meiner Periode an. Mein Immunsystem wurde immer schwächer, sodass ich gefühlt jeden Infekt mitnahm der umging. Sobald mich jemand mit einer Erkältung auch nur ansah wurde ich krank. Immer wieder wurde ich krankgeschrieben und fehlte dadurch auf der Arbeit. Auch Verabredungen in meiner Freizeit musste ich absagen. Für Sport, der mir in den letzten Jahren sehr geholfen hatte, fehlte mir immer häufiger die Energie. Ich wurde unausgeglichen und schlief schlecht.

Die Nachfragen aus meinem Umfeld, vor allem meiner Familie, Kollegen und Vorgesetzten wurden drängender: „Was ist denn nur los mit dir? Warum bist du ständig krank?“

Und wieder fielen mir die immer gleichen Antworten von damals ein, „Weil du eine Frau bist und Frauen müssen da alle durch!“ Aber warum fiel es ausgerechnet mir so schwer, das auszuhalten, wenn doch alle dadurch müssen? Warum kann ich die Schmerzen, wie damals, nicht einfach weglächeln? Meine Selbstzweifel erreichten ein neues Level. Nach fast sechs Jahren der Selbstzweifel, des Hoffens und endlosen Versuchen schwanger zu werden, entschloss ich mich den Frauenarzt zu wechseln. Ich wollte eine zweite Meinung hören.

 

Ende Januar 2019 hatte ich den ersten Termin bei meinem neuen Gynäkologen. Ich erzählte ihm von unserem Kinderwunsch und von den Schmerzen während meiner Periode. Er fragte nach der bisherigen Behandlung und ich berichtete ihm von den Schmerztabletten, die ich mittlerweile wie TicTac nahm. Vor allem aber erzählte ich ihm von all den “gut gemeinten Ratschlägen” meiner früheren Ärztin, seiner Fachkollegin.

Bereits nach wenigen Minuten sagte er: „Nein, dass ist nicht normal und mit Liebe und Feenstaub wird das auch nicht besser!“. Das war hart, aber ehrlich.

Das Problem konnte also nicht allein bei mir liegen. Ich war erleichtert und fühlte mich bei diesem Arzt gut aufgehoben. Der Doktor erklärte mir, dass ich gerade wie eine Art “Black Box” vor ihm sitzen würde, daher fing er an, Informationen von mir zu sammeln. Er fragte nach vielen Dingen um sich so ein Bild von der Gesamtsituation machen zu können. Drei Monate lang überwachte er zum Beispiel mit Hilfe von Ultraschall Untersuchungen meinen Eisprung, die Beschaffenheit der Schleimhaut in meiner Gebärmutter und die Beschaffenheit meine Eierstöcke. Im Zuge dieser Untersuchungen fand er dann einige Zysten. Bereits innerhalb des zweiten Zyklus überwies er mich ins Krankenhaus. Dort sollte eine Bauchspiegelung gemacht werden. Mein Arzt wollte wissen was “da drinnen” vor sich geht, was das für Zysten sind und ob meine Eileiter durchgängig sind. „Reine Routine“ sagte er, „nur ein kleiner ambulanter Eingriff. Ein halbes Stündchen unters Messer, ab nach Hause und dann wissen wir mehr“. „Okay“, dachte ich mir, das hörte sich einfach an. Also ab ins Krankenhaus.

 

Am 03.04.2019 machte ich mich also um sechs Uhr morgens auf den Weg ins Krankenhaus. Da es nur ein kleiner ambulanter Eingriff sein sollte, packte ich meinen Rucksack und stieg in die Straßenbahn. Ich wollte es allein durchziehen. „Es ist ja keine große Sache“, sagte ich mir immer wieder.

Die OP dauerte über vier Stunden. Als ich das erste Mal zu mir kam, hörte ich zwei Krankenschwestern am Kopfende meines Bettes miteinander reden: „Ja, Endometriose.“ „Ach Gott, die Arme.“

Ich dachte nur: „Endo-wie-bitte?“ In einer Zeitschrift hatte ich irgendwann mal davon gelesen. „Reden die über mich? Kann ich jetzt nach Hause?“ Nein, konnte ich nicht!

 

Da die OP deutlich länger dauerte als geplant war, musste ich nun doch über Nacht bleiben. Die Ärztin erklärte mir, dass sie gerade noch auf der Suche nach einem Bett für mich wären. Da niemand damit gerechnet hatte, dass ich über Nacht bleiben müsse, gebe es aber nur noch ein Bett auf der Neugeborenen Station. Für eine Patientin, die wegen eines unerfüllten Kinderwunsches operiert worden war, war dies nicht gerade der schönste Ort. Aber immer noch besser als auf dem Flur schlafen zu müssen.

Also kam ich auf die Station, auf der glückliche Mütter mit ihren neugeborenen Babys lagen.

Der Arzt der mich operiert hatte sollte im Laufe des Abends zu mir kommen, um mich über den Verlauf der OP in Kenntnis zu setzen. Er sollte mir erklären was genau sie während des Eingriffs für eine Entdeckung gemacht hatten und was das für mich und mein Leben in Zukunft bedeuten würde. Aber er kam nicht.

 

Am nächsten Morgen wollte ich nur noch eins – nach Hause. Als die Ärzte der Visite kamen, setzte ich also mein tapferstes Lächeln auf und kündigte fröhlich an, dass ich nun entlassen werden wollte. „Die Drainagen sehen gut aus“, sagte die junge Ärztin. Der Blasenkatheter war bereits am Vortag gezogen worden, daher sprach also nichts gegen meine Entlassung. Noch einmal schaute ich die junge Ärztin lächelnd an und fragte mutig, was das Ergebnis der OP denn nun für unseren Kinderwunsch bedeuten würde?

„Ja, das können Sie sich jetzt abschminken,“ war ihre Antwort. Vermutlich konnte man in diesem Moment hören wie in mir etwas zerbrach. Aber ich lächelte tapfer weiter.

Zu groß war die Angst doch nicht entlassen zu werden, wenn ich nun in Tränen ausbrechen würde.

 

Ein Jahr später schreibe ich diese Zeilen und kann immer noch nicht fassen was da passiert war. Wie konnte man mich einfach so, ohne jede Erklärung am nächsten Tag entlassen? Es dauerte noch Monate bis ich überhaupt in der Lage war, mich mit meiner Krankheit auseinanderzusetzen, geschweige denn sie anzunehmen.

Inzwischen habe ich viel dazu gelernt. Aus Büchern, dem Internet und von anderen Betroffenen. Ich weiß jetzt, dass die Endometriose mein ständiger Begleiter sein wird. Ich weiß, woher meine Schmerzen kommen und dass sie, – wenn auch nur für kurze Zeit, auch wieder gehen. Ich lerne mit meinem Zyklus zu leben. Die guten Tage mehr zu schätzen und die Schlechten auszuhalten. Ich lerne auch nicht auf meinen Körper sauer zu sein, wenn er mal wieder nicht so funktioniert wie ich das gerne hätte. Aber vor Allem weiß ich heute: Ich spinne nicht. Ich rede mir nichts ein. Ich bin nicht schwächer, empfindlicher, sensibler als alle anderen.

Ich habe Endometriose. Ich bin eine Kämpferin!
 

Und mein Kinderwunsch? Wir hoffen immer noch, dass es klappen wird schwanger zu werden. Gemeinsam mit einer Kinderwunschklinik arbeiten wir daran. Unseren größten Traum, Eltern zu werden, geben wir noch nicht auf.

100% kostenlos

Dein Endometriose
Wegweiser als E-Book