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Rebecca erzählt ihre Geschichte.

Endobabe Rebecca
„You’re so brave and quiet I forget you are suffering!“ Nicht jeder drückt es so gewählt aus, wie Ernest Hemingway, wenn ich meine Geschichte erzähle, aber es trifft es so ziemlich genau. Jeder von euch kennt dieses: „Und wie geht es Dir?“ Was mag man da sagen? „Ich könnte gerade nonstop vor Schmerzen schreien“, würde dein gegenüber doch ein wenig verwirren. Also ist „never complain, never explain!“, zu meinem Motto geworden. Heute mache ich eine Ausnahme. Mein Name ist Rebecca, ich bin 42 Jahre alt und heute erzähle ich euch meine Endometriose Geschichte.

Das irgendetwas nicht stimmt, wusste ich schon sehr früh. Jeden Monat hatte ich aufs neue höllische Schmerzen.

Das sei normal wurde mir gesagt. Ich bin vor Schmerzen in Ohnmacht gefallen. Stell dich nicht so an, haben sie gesagt.

Oft konnte ich nicht in die Schule oder später zur Arbeit, weil ich mich schlichtweg nicht bewegen konnte. „Wie kann man nur so eine Mimose sein“, haben sie gesagt. Ich fand das alles andere als normal, aber scheinbar gehörte das alles zum „Frausein“ dazu. Über die Jahre hinweg habe ich so ziemlich jede Pille genommen, die angeblich helfen sollte und es folgte eine jahrelange Odyssee von Facharzt zu Facharzt und Diagnose um Diagnose, deren Details ich euch ersparen mag.

 

Eines Tages, so nach etwa 22 Jahren, habe ich meinen Gynäkologen gefragt, ob ich nicht vielleicht Endometriose habe. Er fragte mich, was das denn sei. Da habe ich realisiert, okay ich sollte den Arzt wechseln.

Die neue Ärztin, eine vermeintliche Endometriose Expertin hörte sich meine Geschichte an und ihre Reaktion war: „Haben Sie einen Partner?“ Meine Antwort: „Nein, gerade nicht!“ Sie schaute mich an und sagte: „Da sollten sie sich aber schleunigst um einen Partner kümmern, dann wandern die Probleme ganz schnell vom Bauch ins Herz.“

Ich habe sie fassungslos angeschaut und die Praxis mit den Worten: „Gut, dann kümmere ich mich darum und um den versierten Kardiologen, der hoffentlich empathischer ist als Sie!“ verlassen.

 

Zum Glück fand ich danach eine zauberhafte Gynäkologin mit einer professionelleren Herangehensweise. Nach ein paar Wochen hatte ich einen Termin in der Endometriose-Sprechstunde eines zertifizierten Kompetenzzentrums. Als ich meine Geschichte erzählt hatte, tobte der Arzt. Ich brach in Tränen aus, weil ich dachte, seine Wut bezog sich auf mich und mein vermeintlich lapidares Problem. Denn genau so, wurde es mir über Jahre suggeriert. Getreu dem Motto „Stellen sie sich nicht so an“. Der Oberarzt reichte mir ein Taschentuch und erklärte, dass er nicht meinetwegen so außer sich und wütend sei, sondern wegen all der unzähligen Kollegen, bei denen ich vorher war.

Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich ernst genommen. Wäre mein Leben ein Musical, glaubt mir, die Stationsleiterin hätte im Hintergrund zusammen mit dem Ultraschallgerät im Chor gesungen.
 

Was nun folgte war nicht minder gruselig wie singende Ultraschallgeräte. Es folgten sieben OP’s in vier Jahren. Nach jeder OP dachte ich, nun würde alles gut werden. Aber leider wurde es das nicht. Meine Mutter war in der Zeit meine treuste Begleiterin. Nach jeder OP saß sie an meinem Bett. Fassungslos und hilflos, weil sie krank vor Sorge war, was nun wieder gefunden oder herausgenommen wurde. Vor ein paar Jahren musste ich mich, wegen der starken Adenomyose, von meiner Gebärmutter trennen. Ein paar Wochen später war ich auf einem Ehemaligentreffen meiner alten Schule. Eigentlich war ich relativ okay mit der ganzen Situation, bis zu dem Moment, an dem mich ein Kerl, den ich schon zu Schulzeiten nervig fand, immer und immer wieder fragte, warum ich denn keine Kinder hätte. Ihr kennt das… Es wurde wirklich unangenehm. „Ach, du bist so eine verbitterte Businesslady, der ihr Job wichtiger ist als Kinder!“ Da war es leider vorbei mit meiner Contenance. „Ja, ich liebe meinen Job. Ich mache ihn unglaublich gerne. Ich habe viele Patenkinder, die ich unfassbar liebe. Eigene Kinder habe ich nicht. Passiert schon mal.

Es gibt Frauen, die keine Kinder bekommen können oder möchten, aus welchen Gründen auch immer. Bei einigen fehlt einfach die Gebärmutter. So wie bei mir. Es soll aber auch Leute geben, denen fehlt echt das Hirn. Das finde ich wesentlich schlimmer!“ #micdrop

Ich gebe zu, nicht immer ist man so stark. Manchmal möchte man sich auch einfach unter der Decke verkriechen und eins werden mit seinem Plumeau, wie man hier in Köln zur Bettdecke sagt. Zum Glück habe ich zauberhafte Freunde, die mich aus diesen Löchern rausholen. Ohne diese Freunde und meine Familie wäre ich nicht da wo ich jetzt bin. Auch den besten Freunden erzähle ich nicht wirklich, wie es mir tief in meinem Inneren geht. Ich glaube, sie würden sich einfach zu viele Sorgen machen. Und das möchte ich nicht. Sie bauen mich trotzdem auf – weil sie da sind. Sie erinnern mich, dass ich auf mich aufpassen soll. Sie erinnern mich, wie schön mein Leben ist – trotz dieser bescheuerten unheilbaren Krankheit. Und sie bringen mich zum Lachen.

 

Einige Freunde habe ich verloren, weil ich einfach zu oft im letzten Moment Verabredungen abgesagt habe. Ja, manchmal bin ich mittags total euphorisch und will abends um die Häuser ziehen. Zwei Stunden später liege ich auf dem Sofa und kann mich nicht bewegen. Das gehört leider zu meinem Leben dazu. Endometriose bedeutet für viele, nur leichte Schmerzen wenn man seine Tage hat. Glaubt mir, ich würde töten, wenn es nur so wäre. Funfact: Ich habe meine Tage seit meiner Hysterektomie ja gar nicht mehr. Und jetzt kommt der Teil, den ich gerne verschweige. Ich habe immer Schmerzen – an jedem Tag!

In der Notaufnahme, schlimm wenn man schon so regelmäßig dort ist, dass man mit den Ärzten über das neue Interieur fachsimpelt, wird man nach seinen Schmerzen auf einer Skala von eins bis zehn gefragt. Du kannst ja nicht sagen 15 oder „kennen sie das Bild von Edvard Munch ‚Der Schrei’?“ Es gibt Tage, an denen ich mein linkes Bein nicht spüre. Da laufe ich dann im Büro die Treppe im Rentner-Style hoch und runter. Kollegen fragen mich, ob ich mit dem Fuß umgeknickt sei.

Seit meiner letzten OP habe ich leider einen Harnverhalt. Cool, wenn man auf ein Festival geht und nicht aufs Klo muss. Aber auf Dauer echt uncool. Meine Uhr erinnert mich daran, dass ich mal pinkeln gehen sollte.

Ich habe schlimmste Magenschmerzen von den ganzen Schmerztabletten die ich schlucke. Ich bin ständig müde und mein Immunsystem ist quasi nicht vorhanden. Ich habe eine tiefinfiltrierende Endometriose – die besonders garstige große Schwester dieser Krankheit. Die Endometriose-Tumore docken dabei auch an andere Organe an, als an die Geschlechtsorgane. Bei der letzten OP war mein Harnleiter zugewachsen und die Niere war darüber „not amused“. Sie konnte aber gerettet werden. Meine Ärzte und der soziale Dienst in der Reha haben mir geraten, eine Schwerbehinderung zu beantragen. Laut der Klassifizierung stehe es mir zu. Leider hat Endometriose keine Lobby. Obwohl es auf dem Papier so steht, in den Operationsberichten beschrieben wurde und mit der Pathologie bewiesen ist, muss ich dafür kämpfen und bei einem Gutachter vorsprechen. Was mich wirklich wütend macht, ist nicht die Krankheit. Damit kann ich einigermaßen leben. Ich habe mich damit abgefunden. Und ich bin ein so positiv eingestellter Mensch, dass ich mich davon nicht unterkriegen lasse. Denn dann hätte die Endometriose gewonnen und das lasse ich nicht zu.

 

Was mich wirklich wütend macht, sind die Institutionen. Seit einem Jahr mache ich Krankengymnastik und es hilft mir. Doch meine Kasse will es nicht weiterzahlen. Ich soll lieber ein bisschen Zuhause turnen. Und ich soll zu einem Psychologen. Das würde helfen. Ja, das ist die Empfehlung der Leitlinie und viele betroffene Frauen brauchen diese psychosomatischen Therapiesitzungen gerade bei chronischen Schmerzen. Auf der anderen Seite handelt es sich um eine Leitlinie, die komplett veraltet ist. Die sich mit einer Krankheit beschäftigt, die kaum erforscht ist. Was meines Erachtens eine Katastrophe und ein Schlag ins Gesicht einer jeden Betroffenen ist.

 

Ich kann bald einen Privatsekretär einstellen, denn ich bin jeden Tag damit beschäftigt Widersprüche zu schreiben. Eine nicht genehmigte OP, eine nicht genehmigte Therapie und so weiter. Ich bin stark und habe ein starkes Umfeld, was mich auffängt. Ich habe einen fantastischen Arbeitgeber der mich unterstützt. Und ich stürze mich auch in meine Arbeit, weil sie mich ablenkt. Aber ich habe viele Endoschwestern verloren, weil sie diesen Kampf nicht kämpfen konnten, die verzweifelt sind, die alleine waren und die sich das Leben genommen haben. Eine mir sehr lieb gewonnene Freundin sagte einmal.

„Weißt du, Krebs ist eine furchtbare Krankheit, du kannst davon sterben. Wir sterben jeden Tag ein bisschen mehr obwohl wir leben. Aber es ist allen egal, weil es keine anerkannte Krankheit ist.“

Was wir alle machen können, ist laut zu sein. Und ich bin unendlich glücklich darüber, dass wir es sind. Als ich vor einigen Jahren angefangen habe, über mein Leben mit der Krankheit bei Insta zu bloggen, habe ich mich dazu entschieden es auf Englisch tun. Es gab einfach nur eine Handvoll Endosisters die darüber geschrieben haben. Nun habe ich zauberhafte neue Freundinnen aus Queensland, aus Texas, aus Island und anderen Teilen der Welt. Das hilft sehr, wenn man sich in langen Krankenhausnächten austauschen kann, sich gegenseitig Trost spendet und Tipps gibt. Gerade in den letzten zwei Jahren, haben sich viele Freuen aus Deutschland in ihren Blogs und Instas zu Wort gemeldet. Das ist so wichtig und ich finde das großartig. Die Mädels klären auf und sprechen offen über ihre Symptome. Junge Frauen stellen fest, dass es auch andere mit dieser Krankheit gibt. Vor allem aber, dass ihre Symptome nicht normal sind. Denn ein Leben mit Endometriose ist nicht normal. Ich zitiere immer gerne den Endometriose-Experten Prof. Dr. Keckstein, der in einem Interview zu dem Thema sagte:

„Warum und wann sollte ein Schmerz normal sein? Bei Männern gibt es das nicht. Ich kenne keine Männerkrankheit, wo man sagt, der Schmerz sei normal.“

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